Die Arbeiten Chang Min Lees sind von der Farbpalette her frisch und im Sujet oft frech. Meist gibt sich die artenreiche Fauna, die der Künstler in Szene setzt, durchaus fabelhaft, sprich; menschlich. So bestehen die »Reisenden«, die man bekanntlich nicht aufhalten soll, aus einer Gruppe von Pinguinen, die in einem

nicht minder tierischen Schlauchboot über einen dschungelumwaldeten Weiherfahren. Es passt inhaltlich nichts wirklich zusammen, doch ist das Bild so souverän in Farbe gebracht, dass man auch wieder kaum an der Situation zweifelt.Heiter-ironisch stellt sich der Künstler die Frage nach der Stellung und Verantwortung des Menschen in der Welt, der sich einerseits alle möglichen und unmöglichen Räume zueigen macht und andererseits manche Tierarten aus ihrenLebensräumen vertreibt.

 

(Im Text zu der Ausstellung "Ralph Fleck trifft ehemalige Schülerlnnen)

Dr. Günter Baumann


Träumer im Dschungel

 

Figurative Themen und hohe Malkultur sind das Kennzeichen der Bilder von Chang Min Lee. „Seine Arbeiten sind keine Pinselgrübeleien, sondern durchdachte und geplante Kompositionen, denen viele Studien vorausgehen. Trotz gestisch wirkender Malerei, teilweise mit dickem Farbauftrag sind die ‚Pinselhiebe‘ sehr konzentriert gesetzt und so

entsteht eine frische, freche und fulminante Malerei“. Mit diesen Worten schildert der Maler Ralph Fleck seinen ehemaligen Meisterschüler an der Nürnberger Akademie der bildenden Künste.

 

Wilde Tiere spielen eine große Rolle in den Bildern von Chang Min Lee, Affen aller Art, von Kapuzineräffchen über Paviane, Gorillas bis zum Orang Utan, dazu Leoparden, Papageien, Pandas, Eisbären, Pinguine und Adler begegnen einander. Üppige Natur und kuriose Szenen prägen die starkfarbigen Bilder. Bunt gemischte Gruppen und Individuen,

Einheimische und Fremde treffen sich an exotischen Orten.

 

Meist sind es Gruppenbilder, doch gibt es auch Einzelportraits, so „Der Sammler“ von 2008: ein Pavian sammelt Früchte, trägt so viele wie möglich in seinen Händen, hält sie fest an seine Brust gedrückt. Zugleich blickt er unzufrieden und begehrlich auf die noch am Boden liegenden Früchte.

 

Das Motiv Tiere verknüpft Chang Min Lee mehrfach mit dem Thema Reise, so in zwei großen, stark querformatigen Gemälden aus den Jahren 2017 und 2019: „Reisende II“ und „Affenboot – Sonnenuntergang“. Ein schmales Kanu fährt einen Fluss entlang. Beim Affenboot liegt hinter dem Ufer eine dschungelartige Landschaft in hellem Gelbgrün. Einige

Reisende lagern entspannt auf dem Rand des Bootes, links greift ein großer Affe mit der Hand ins Wasser, neigt dabei den Kopf gedankenverloren zur Seite. Andere, kleinere Affen stehen aufrecht im Boot, sie beschatten mit der Hand die Augen und betrachten aufmerksam das Ufer. Strahlende Helligkeit dominiert die Szene, starke Lokalfarben

wie Orange, Pink, Türkis, Blau und Gelbgrün lassen die Landschaft leuchten und geben ihr eine übernatürliche, magisch anmutende Atmosphäre. Dem Gemälde Reisende II liegt eine ähnliche Komposition zugrunde, auch das Personal ist das gleiche, Affen fahren in einem Boot einen Fluss entlang. Hier erhebt sich am Ufer ein Tannenwald mit einer

Blockhütte aus Holz, während das Kanu einen kahlen Baum trägt, einige Affen turnen darin herum, andere halten Ausschau, vielleicht nach neuen, belaubten Bäumen?

 

Verwandt damit wirkt das Gemälde „Schaukel“ von 2015. Mitten in einem Fluss erhebt sich auf hohen Stelzen ein Haus, darunter hängt eine leere Schaukel. Im Wasser davor steht ein Affe, mit hängenden Armen,unschlüssig. Vielfältige Grüntöne des Urwaldes im Hintergrund korrespondieren mit dem Pink und Gelb des Stelzenhauses, sanft kräuselnde Wellen spiegeln die Objekte, Farb- und Lichtwirkung von Himmel und Wasser sind fein ausbalanciert.

 

Das Gemälde „Affen“ von 2015 eröffnet eine ganz andere Szenerie. Im Vordergrund trägt eine Affenmutter ihre zwei Jungtiere huckepack über zugespitzte Metallpfähle, während im Hintergrund zwei schneebedeckte Vulkane Rauchwolken ausstoßen.

 

Gleich in zwei großformatigen Gemälden des Jahres 2019 greift Chang Min Lee das Thema „Heimat“ auf. Der Blick geht in einen Dschungel, den viele Tiere bevölkern, die in der Natur eigentlich einen ganz anderen Lebensraum haben: links im Vordergrund ist eine Art Podest mit einer Eisbärenfamilie, davor stehen Pinguine. Rechts ruht ein Leopard mit

popfarbigen Flecken auf einem baumstammartigen Gebilde mit Facetten in Pink, Blau, Gelb. Ein kleiner Panda liegt bäuchlings auf der großen Raubkatze, umfängt sie vertrauensvoll und schmiegt sich an sie. Hoch oben ist ein Seil gespannt, das ein Affe zu betreten versucht. In jeder Hand eine Kugel haltend, ist er sehr darauf bedacht, nicht die Balance zu verlieren. Links oben ruht eine Löwin auf einem Oktoeder, während im Dickicht des Hintergrunds ein weiterer Panda einen gemütlichen Platz gefunden hat. Zur Szenerie gehören noch drei Papageien, ein krähender Hahn auf einer Kugel und ein kleines Känguru. Ist schon das tierische Ensemble dieses Urwalds wenig naturgetreu, so irritiert schließlich ein im Mittelgrund aufragender Beobachtungsturm. Der Wald ist skizzenhaft angelegt, hohe Palmen in neonfarbenen Grüntönen dominieren. Die natürlichen Farben werden lediglich zitiert, es dominieren Farben, die ins Grelle, Neonfarbene gehen, expressive Farben.

 

Der Leopard ist schon zuvor ein Hauptakteur eines Bildes, als „Träumer“ liegt er wie hingegossen auf seinem bunten polygonalen Baumstamm im

gleichnamigen Gemälde von 2018. Und er fungiert in einem weiteren Werk als Wächter, thront auf dem Beobachtungsturm, grell angestrahlt vor der nächtlichen Kulisse des Waldes, dieses Mal assistiert von Erdmännchen, Tukans, Koalabär, Hahn und Pinguin.

 

Das Thema Tiere hat in der Kunst eine sehr lange Tradition. Symbolisch- allegorische Darstellungen gibt es in allen alten Kulturen, auch in der Literatur lässt sich dieses Motiv bis zu Äsop und seine Fabeln in der griechischen Antike des 6. Jahrhunderts v.Chr. zurückverfolgen. Äsop gilt als Begründer der europäischen Fabeldichtung, einer seiner berühmtesten

Nachfolger ist Jean de La Fontaine im 16. Jahrhundert, um die beiden großen Klassiker dieser Literaturgattung zu nennen. In der Bildenden Kunst wird Albrecht Dürers Aquarell „Hase“ von 1502 als Meilenstein gesehen, das niederländische 17. Jahrhundert widmete den Tieren eine eigene Bildgattung, und im 20. Jahrhundert inszenierte der Expressionismus in symbolisch-gleichnishafter Form das Tier. Franz Marcs „Turm der Blauen Pferde“ von 1913 kann als herausragende Ikone dieses Stils gelten. In der zeitgenössischen Kunst griffen Joseph Beuys und Damien Hirst in feinfühligen oder provokant-irritierenden Inszenierungen das Thema Tier auf. Und schließlich lässt Karin Kneffel in ihren hochästhetischen, malerisch überwältigenden Bildern immer wieder auch Tiere eine Rolle spielen.

 

Indem Chang Min Lee die Themen Tiere und Heimat verknüpft, dabei diese Lebewesen entweder in fremde Lebensräume versetzt oder sie auf die Reise schickt, versetzt er den Betrachter ins Staunen, aber auch ins Nachdenken. Vordergründig sind seine Bilder ein buntes Kaleidoskop unserer Gegenwart, eine Welt voller Vielfalt und Überraschungen. Mit

ihren Popfarben und ihrer Skizzenhaftigkeit spielen sie an auf zeitgenössische Medien mit schnellen Schnittfolgen und computergenerierten Bildern. Die Raumillusion wird nur angedeutet, auch die Größenverhältnisse sind nicht immer realistisch. Das Symbolhafte und die Expression haben Vorrang, in der Summe sind es jedoch wohldurchdachte, sorgfältig komponierte Gemälde, virtuos auf die Leinwand gesetzt. Geschildert werden fröhlich-ironische, aber auch geheimnisvolle und komische Situationen. Mit diesen surrealen Bildern entsteht eine andere Sicht auf Vertrautes, neue bizarre Welten öffnen sich. Wir sehen ein Stelldichein verschiedener Tiere aus aller Welt, die sich an seltsamen Orten begegnen, manche bleiben für sich, andere nehmen Kontakt auf. Friedlich scheinen alle zu sein in diesem modernen Paradies, das uns die Phantasie des Malers schenkt.

 

Dr. Gerlinde Brandenburger-Eisele


On Lee Chang Min’s Solo Exhibition 2014  in space k 

 

Lee Jang Uk _ curator, space k in southkorea

 

 Here stands a cow with huge breasts almost about to burst. Such a size wouldn’t be necessary only for feeding calves.

Production activity for the industrial system has now become her summon and also the very reason why the cow has to produce more milk than it is supposed to for feeding the young.

 Animals and stages frequently appear in Lee’s art works. The animals are seen to show tricks to their full, sometimes rest with their family or even contemplate.

Among them some are depicted standing on a very narrow podium on the stage.

The  stage is provided as a maximum space for the actors where they can act and for the viewers as well. The protagonist on the stage is deprived of their private activities. We live within ‚the system’, the stage controlled by the Big Brother. 

 

The timely wage and wdlfare are just like narcotics and we cannot even feel the pain when the system controls and pokes into our everyday life. It is almost like going through a painless endoscopic treatment. There is some unknown suffocating heaviness that is laid upon one’s life but there are no screams and outcries because we don’t feel some conspicuous pang. There is tension going on where the door might be closed behind us forever once we left the stage but it cures us into considering pain as extravagance. However there exist human dignity, joy and sorrow even on the stage from which we cannot come down. Thus the beings come with ever more sublimity and beauty who constantly balance themselves not to fall in such tension.                                          

Two of Lee’s previous paintigs still linger on my mind. In one of them a monkey grabs balls in ist mouth and hands, showing tricks and in the other one a mother monkey is hanging from a single cable against the setting sun with her babies in her arms. The monkey running as hard as it can still grabbing three balls reminds me of the image of myself who make frantic attempts not to lose any of work, family and dream that are all hard to keep anyway.

From the image of the mother monkey that shared the destiny of all family members dangling from a single thin line, so thin that no one would know when it could break, I witnessed the gratness of being who makes his way balanced amid all the uncertainties. Lee’s fables of animals make the viewers look back at themselves a little detached from the everyday scene. Just as in the fables Aesop told us many years ago we try to choose the kind and color of bells while it is very unlikely to be able to hang them around the neck of the cat, and upon looking at the image of self reflected on a pond we end up in losing the fish in hand while trying to catch still bigger ones. The paintings of the show are on the same line. The scenes on the canvas that the artist has presented to us capture the image of ourselves who exist on the border between insecurity and greatness.

 The artist constructs events with thick matieres against a sleek background in which hues and tonal densities work together with a sense of velocity. Strokes and touches are swift and robust as in the case of oriental calligraphy where no additional touch is allowed for a single stroke. A single stroke renders a muscle, a branch or a roof. The impesto technique that is executed based on precise calculations much like that of pottery allows him to build up his unique painting style beyond traditional painting, and is instrumental in presenting the tension between environment and being and the balance of being on the border.

 These days there is an overflow of media, making the concept of art ever more blurred. The artist’s keen insight for understanding human being and his sincere attitude for painting make the exhibition truly stand out.

 



Für Chang Min

 

 

Ein paar kurze Sätze zu meinem Meisterschüler Chang Min Lee.

Sehr gut kann ich mich daran erinnern, wie er mir bei unserer ersten Begegnung 2004 seine Mappe zeigte, in der sich unter anderem realistische Aquarelle und Zeichnungen von Personen zum Teil mit Koffer, also Reisende, die auf einen Bus oder Zug zu warten schienen, befanden. Hintergrund und Umgebung waren weggelassen oder nur vage angedeutet. Es war eine der besten Bewerbungsmappen.

 

Chang Min Lee begann sofort mit Ölfarbe zu malen, machte aber auch ein paar Skulpturen, meist von Tieren sowie viele Zeichnungen, immer neugierig und experimentierfreudig.

Neben einigen kurzen Umwegen wurden Tiere in zum Teil absurden Situationen oder als Mischwesen und meist in  greller Farbigkeit ein Schwerpunktthema bei ihm.

Seine Arbeiten sind keine Pinselgrübeleien, sondern durchdachte und geplante Kompositionen, denen viele Studien vorausgehen. Trotz gestisch wirkender Malerei, teilweise mit dickem Farbauftrag sind die „Pinselhiebe“ sehr konzentriert gesetzt und so entsteht eine frische, freche und fulminante Malerei, vor allem frei von Modischem und selbstbewusst: So da bin ich - noch Fragen?

 

Seine kraftvollen Bilder schätze ich sehr und ich freue mich darüber, dass nach Abschluss des Studiums aus der Meisterschüler-Lehrer-Verhältnis eine Freundschaft unter Malerkollegen entstanden ist, die unter anderem auch die gemeinsame Liebe zur guten Küche verbindet.

 

 

 

Ralph Fleck im Februar 2012